Pierre-Auguste Renoir: Die großen
Badenden
Der Körper spricht eine ehrliche
und menschlich anrührende Sprache. Auf das feine Auge des
Künstlers übt sie eine unerschöpfliche Faszination aus. Doch
vor allem ist diese Sprache ganz wichtig für das Miteinander
im sozialen Gefüge.
Was lässt uns attraktiv erscheinen?
Der Mensch ist eine eigene Art geworden, indem
sich unsere Vorfahren gemeinsam von den verwandten Menschenaffen
abgegrenzt haben. Also haben wir eine Vorliebe für
unseresgleichen entwickelt. Vor allem sind es deshalb die
typischen, von den Affen deutlich abweichenden optischen
Merkmale, die wir besonders attraktiv finden:
die langen Haare auf dem Kopf,
die hohe Stirn,
die Form des Mundes,
die glatte Haut am übrigen Körper,
der schöne große Busen der Frauen,
der aufrechte Gang, der durch lange Beine
und die den Schwerpunkt des Körpers bildende Gesäßpartie
untertrichen wird,
die Füße, die für den aufrechten Gang ganz
anders gestaltet sind als bei unseren Verwandten im
Zottelfell.
Und wir nutzen die Aufmerksamkeit, die diese
Merkmale auf sich ziehen, wenn wir bewusst oder unbewusst durch
Mimik und Gesten etwas ausdrücken wollen. Wenn es uns an
Fremdsprachkenntnissen fehlt, reden wir mit Händen und Füßen und
verziehen den Mund -- auch so kann die Verständigung klappen.
Die Sprache der Gesten:
Weil wir kein Fell haben, sind die
Körperkonturen ganz deutlich wahrnehmbar und unsere Bewegungen
sprechen eine deutliche Sprache. Kleidung und Schuhe
verschleiern und verändern diese Aussage, das ist zwar kulturell
gewollt, zwängt aber die Körpersprache in vorgeprägte Bahnen.
Der Schutzmann in Uniform kann vortrefflich den Verkehr regeln
und die dazu notwendige Macht ausüben. Doch menschlich und
anrührend spricht unser Körper, wenn er so ist, wie er
geschaffen wurde.
FKK-Gegner kritisieren häufig, dass der Körper
seine erotische Wirkung verliert, wenn der Anblick der Nacktheit
zur Gewohnheit wird. Im Prinzip trifft das auf die im Naturismus
übliche alltägliche Nacktheit durchaus zu. Doch die
Körpersprache kann, wenn es beabsichtigt ist, jederzeit ein
hohes Maß an Sex-Appeal zum Ausdruck bringen. Genauso kann das
Gegenteil ausgedrückt werden: nach vorne hängende Schultern und
an den Körper angelegte Arme sind beispielsweise Gesten, die
selbst einem ausgesprochen schönen Körper jedes erotische Flair
nehmen. Es unterliegt also ganz unserem Willen, ob der nackte
Körper zur Erotik ja oder nein sagt.
In einer Liebesbeziehung gelingt es immer
wieder, attraktiv und begehrenswert zu erscheinen, auch wenn der
Partnerin bzw. der Partner schon jeden Quadratzentimeter der
Haut kennt. Die Körpersprache des Alltags sendet dagegen keine
erotischen Signale, und niemand muss Angst vor Konsequenzen
haben, wenn er von anderen nackt gesehen wird.
Aktive Körper:
Aktivität bringt den Körper natürlich viel
stärker (und positiver) zur Geltung, als das Ruhen im
Liegestuhl. Ein Sportlerkörper in Bewegung wirkt attraktiv, doch
die Bewegungsabläufe der typischen Naturismussportarten wie
Volleyball, Tennis, Surfen, Laufen beinhalten keine Gesten, die
erotisch missverstanden werden können. Problematisch sind
vielleicht Sportarten wie Kunstturnen, die zum Teil vom Wecken
erotischer Illusionen leben und bewußt auf das Sex-Appeal der
Bewegungen und Haltungen abzielen. Man sollte es also niemandem
verübeln, wenn er da nicht mit nackten Darbietungen an die
Öffentlichkeit treten will.
Aktivität soll auch gar nicht darin bestehen,
dass man sich vor anderen produziert. Beim ganz normalen
Genießen des Lebens, beim Spazierengehen, beim Baden, beim
Sandburgenbauen, beim Bootfahren, beim Betrachten der Natur
fällt man nicht besonders auf, auch wenn man nackt ist. Die
Körpersprache drückt dabei einfach aus, dass alles in Ordnung
ist! Und damit ist jeder zufrieden. |